Führen in Krisenzeiten gehört zu den anspruchsvollsten Herausforderungen für Führungskräfte. Wenn Unsicherheit zur neuen Realität wird, Märkte ins Wanken geraten, interne Prozesse unter Druck stehen oder plötzlich Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen, zeigt sich, was gute Führung wirklich bedeutet. Es geht nicht mehr nur um das Erreichen von Kennzahlen, sondern um das Navigieren durch Unsicherheit, das Halten eines Teams in schwierigen Momenten und das Vermitteln von Vertrauen in einer Zeit, in der vieles infrage steht.
Krisen können viele Gesichter haben: eine weltweite Pandemie, wirtschaftliche Rezession, Lieferkettenprobleme, geopolitische Instabilität oder unternehmensinterne Umstrukturierungen. Was sie alle gemeinsam haben, ist der hohe Druck, die emotionale Belastung und die Notwendigkeit, schnell und gleichzeitig besonnen zu handeln.
In diesem Beitrag erhalten Sie sieben bewährte, praxisnahe Tipps für das Führen in Krisenzeiten. Alle Empfehlungen basieren auf aktuellen Erkenntnissen der Führungspsychologie, Erfahrungen aus der Praxis und konkreten Beispielen, wie Führung in Krisenzeiten gelingen kann – mit Klarheit, Empathie und Entschlossenheit.
Warum Führen in Krisenzeiten so besonders ist
Krisen verändern das Umfeld, in dem Organisationen agieren, radikal. Während in stabilen Zeiten Planbarkeit und klare Strategien dominieren, herrscht in Krisenzeiten ein hoher Grad an Unsicherheit. Informationen sind oft unvollständig oder widersprüchlich. Entscheidungen müssen unter Zeitdruck getroffen werden. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an Führungskräfte, Orientierung und Sicherheit zu bieten.
Ein zentrales Merkmal erfolgreicher Führung in der Krise ist die Fähigkeit, mit dieser Unsicherheit souverän umzugehen. Nicht durch das Versprechen von Sicherheit, sondern durch das Schaffen von Vertrauen, Transparenz und emotionaler Stabilität. Führungskräfte werden in der Krise zu Trägerinnen von Sinn, zu Architektinnen von Orientierung und zu Vorbildern im Umgang mit Unsicherheit.

Die 7 wichtigsten Tipps für das Führen in Krisenzeiten
1. Klar und transparent kommunizieren
In Krisenzeiten ist Kommunikation nicht nur eine Führungsaufgabe – sie ist die zentrale Führungsleistung. Mitarbeitende brauchen Orientierung. Sie wollen wissen, was los ist, wie es weitergeht und wie sie selbst betroffen sind. In der Krise schauen alle auf die Führung. Die Unsicherheit im Team ist oft groß: „Wie schlimm ist es wirklich?“, „Was bedeutet das für uns?“, „Wie geht’s weiter?“ – in solchen Momenten entscheidet die innere Haltung darüber, ob Vertrauen geschaffen oder Angst verstärkt wird. In Krisen verdoppelt sich der Kommunikationsbedarf – mindestens. Unsicherheit entsteht nicht nur durch äußere Faktoren, sondern auch durch mangelnde Information. Wenn Führungskräfte nicht klar, ehrlich und regelmäßig kommunizieren, entsteht Spielraum für Interpretation.
Haltung bedeutet: Standfestigkeit inmitten des Sturms. Nicht in Panik zu verfallen, sondern ruhig, klar und zielgerichtet zu agieren. Es geht nicht darum, alles zu wissen oder jede Antwort zu haben – sondern darum, präsent zu sein, Verantwortung zu übernehmen und transparent zu kommunizieren.
Konkrete Maßnahmen:
- Regelmäßige Updates: Halten Sie Ihre Mitarbeitenden proaktiv auf dem Laufenden – auch wenn es keine Neuigkeiten gibt. Kommunikation verhindert Spekulationen.
- Ehrlichkeit vor Schönfärberei: Wenn es schwierige Nachrichten gibt, kommunizieren Sie diese mitfühlend, aber ehrlich. Menschen schätzen Authentizität.
- Zwei-Wege-Kommunikation: Bieten Sie Gelegenheiten zum Fragenstellen und für Feedback – z. B. durch offene Fragerunden, virtuelle Sprechstunden oder regelmäßige Umfragen.
- Visibilität zeigen: Seien Sie präsent – auf allen Kanälen. Sichtbarkeit schafft Nähe, auch in hybriden oder digitalen Teams.
Beispiel:
Ein mittelständisches Unternehmen führte während einer globalen Krise tägliche kurze „Morning Briefings“ per Video ein. Die Geschäftsleitung informierte transparent über aktuelle Entwicklungen. Die Beteiligung stieg, das Vertrauen wuchs – auch bei negativen Nachrichten.
2. Empathie zeigen und Emotionen ernst nehmen
Krisen sind nicht nur ein strategisches Problem – sie sind ein emotionaler Ausnahmezustand. Ängste, Unsicherheit, Frustration oder Erschöpfung sind normale Reaktionen. Gute Führung erkennt diese Emotionen an und schafft Raum dafür.
Krisen treffen Organisationen – aber vor allem treffen sie Menschen. Mitarbeitende haben Sorgen um die Zukunft, um ihren Arbeitsplatz, ihre Familien oder ihre Gesundheit. Wer das ignoriert, verliert seine Wirksamkeit als Führungskraft.
Empathie ist kein “Soft Skill”, sondern ein Führungsinstrument. Es geht darum, zuzuhören, Verständnis zu zeigen und individuell auf Mitarbeitende einzugehen – ohne dabei die Unternehmensziele aus dem Blick zu verlieren.
So gelingt das:
- Aktiv zuhören: Nehmen Sie sich bewusst Zeit für Gespräche. Zeigen Sie echtes Interesse – nicht nur an Aufgaben, sondern am Menschen.
- Emotionale Reaktionen normalisieren: Signalisieren Sie, dass es okay ist, Unsicherheit zu spüren.
- Psychologische Sicherheit fördern: Schaffen Sie ein Klima, in dem niemand Angst haben muss, „schwach“ zu erscheinen. Näheres dazu finden Sie auch hier.
- Empathie sichtbar machen: Nicht alles muss gelöst werden. Manchmal reicht es, einfach da zu sein.
Beispiel:
Eine Führungskraft richtete wöchentliche Teamrunden ein, in denen ausschließlich über das persönliche Befinden gesprochen wurde – freiwillig und vertraulich. Die Maßnahme stärkte das Miteinander und senkte die emotionale Belastung spürbar.
3. Flexibilität beweisen und neue Wege gehen
Wenn Pläne obsolet werden, braucht es Beweglichkeit. Das bedeutet nicht planloses Agieren, sondern ein agiles Mindset: die Fähigkeit, sich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen, ohne die eigene Ausrichtung zu verlieren.
Wichtige Prinzipien:
- Agile Methoden anwenden: Nutzen Sie Werkzeuge wie Stand-ups, Retrospektiven oder Kanban-Boards zur besseren Selbstorganisation.
- Schnelle Experimente ermöglichen: Testen Sie neue Ansätze in kleinen Schritten, statt auf perfekte Lösungen zu warten.
- Fehlerfreundlichkeit etablieren: Erlauben Sie Irrtümer als Lernmoment – das reduziert die Angst vor Veränderung.
Beispiel:
Ein Unternehmen stellte während der Coronapandemie in kürzester Zeit seine Prozesse auf Remote-Arbeit um. Die Führungskräfte förderten aktiv eigene Lösungen ihrer Teams und hielten Entscheidungen bewusst flexibel. So konnte das Unternehmen effizient weiterarbeiten.
4. Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen – auch wenn nicht alles klar ist
In Krisenzeiten entstehen Grauzonen. Informationen fehlen, Risiken sind schwer kalkulierbar. Trotzdem braucht es Entscheidungen – und Menschen, die bereit sind, sie zu treffen. Krisen zeichnen sich durch Ambiguität und unvollständige Informationen aus. Das verleitet dazu, Entscheidungen aufzuschieben – aus Angst, Fehler zu machen. Doch: Nicht entscheiden ist auch eine Entscheidung – oft die schlechteste.
Handlungsfähigkeit in der Krise ist ein Führungsmerkmal. Es geht nicht um perfekte Entscheidungen, sondern um begründete, nachvollziehbare Schritte, die Orientierung geben.
Worauf es ankommt:
- Mut zur Entscheidung: Auch unvollkommene Entscheidungen sind besser als lähmendes Zögern.
- Verantwortung sichtbar machen: Zeigen Sie, dass Sie zu Ihrer Rolle stehen – und auch zu Fehlern.
- Verantwortung teilen: Fördern Sie Mitverantwortung im Team, statt alles selbst regeln zu wollen.
- Rückendeckung geben: Wenn Mitarbeitende Verantwortung übernehmen, brauchen sie Sicherheit und Vertrauen.
Beispiel:
In einem internationalen Projektteam wurde ein Teammitglied mit einer Entscheidung betraut, obwohl die Datenlage dünn war. Die Führungskraft unterstützte die Entscheidung, selbst als sie sich als nicht optimal herausstellte – und stärkte so langfristig die Handlungsfähigkeit des Teams.
5. Vertrauen stärken und Zusammenarbeit fördern
In Zeiten der Krise wächst das Bedürfnis nach Verbindung und Verlässlichkeit. Vertrauen ist die Währung, mit der Teams durch schwierige Zeiten kommen.
Vertrauen entsteht durch:
- Verlässliches Verhalten: Tun, was man sagt – gerade in schwierigen Situationen.
- Transparente Prozesse: Machen Sie nachvollziehbar, wie Entscheidungen zustande kommen.
- Kollaboration statt Kontrolle: Vertrauen Sie den Fähigkeiten Ihrer Mitarbeitenden – und lassen Sie sie gestalten.
- Beziehungsarbeit pflegen: Auch im virtuellen Raum sind kleine Gesten, Lob und Aufmerksamkeit Gold wert.
Beispiel:
Ein Konzernbereich führte während einer Restrukturierung wöchentliche Peer-Coaching-Sessions ein, bei denen sich Führungskräfte gegenseitig unterstützen. Das Vertrauen wuchs über Hierarchie- und Abteilungsgrenzen hinweg und trug zur Resilienz der Organisation bei.

6. Sinn und Orientierung vermitteln
Krisen beschleunigen Veränderungen. Was gestern noch stabil war, ist heute fragil – und morgen vielleicht irrelevant. Wer jetzt nur reagiert, verpasst die Chance zur aktiven Gestaltung.
In der Krise stellen sich viele die Frage: Warum tun wir das alles? Wofür lohnt es sich, durchzuhalten? Führungskräfte sollten gerade jetzt die Verbindung zum „Warum“ wiederherstellen – zur Vision, zu den Werten und zur gemeinsamen Aufgabe.
Gute Führung fragt nicht nur: „Was müssen wir tun?“, sondern: „Was können wir jetzt neu denken?“
In Krisen verlieren Menschen leicht die Richtung. Die tägliche Unsicherheit überlagert das große Ganze. Umso wichtiger ist es, immer wieder an die gemeinsame Vision und die zentralen Werte zu erinnern.
Werte sind wie ein innerer Kompass – besonders, wenn die äußeren Landkarten nicht mehr stimmen.
So gelingt es:
- Purpose konkret machen: Zeigen Sie, welchen Beitrag Ihr Team leistet – für das Unternehmen, für Kunden und für die Gesellschaft.
- Zukunft aufzeigen: Machen Sie deutlich, worauf Sie hinarbeiten – auch wenn der Weg dorthin noch unklar ist.
- Erfolge sichtbar machen: Auch kleine Schritte zählen. Feiern Sie Fortschritte und Engagement. Mehr zum Thema Erfolge feiern finden Sie hier.
- Rückbindung an Werte: Machen Sie deutlich, wie Ihre Entscheidungen mit den Kernwerten Ihres Unternehmens zusammenhängen.
Beispiel:
Ein Start-up, das besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legt, kommunizierte während einer Lieferkrise täglich über Slack kleine Erfolgsmeldungen – etwa erreichte CO₂-Einsparungen. Das stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation der Mitarbeitenden mit einem gemeinsamen Ziel.
7. Sich selbst führen – Resilienz als Führungsqualität
Gute Führung in der Krise beginnt bei der Selbstführung. Nur wer sich selbst kennt, regulieren und regenerieren kann, bleibt langfristig handlungsfähig.
Führungskräfte sind keine Maschinen. Wer ständig „funktionieren“ muss, brennt aus. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, auf die eigene Energie zu achten – und die des Teams.
Resilienz bedeutet: die Fähigkeit, unter Druck nicht zu zerbrechen, sondern daran zu wachsen.
Resilienz stärken durch:
- Reflexion: Nehmen Sie sich Zeit zur Selbstbeobachtung – etwa in Form eines Tagebuchs oder Coaching.
- Routinen pflegen: Auch in der Krise sind Pausen, Bewegung und Schlaf keine Luxusgüter, sondern Notwendigkeiten.
- Ressourcen aktivieren: Welche Menschen, Rituale oder Tätigkeiten geben Ihnen Energie?
- Grenzen setzen: Lernen Sie, bewusst Nein zu sagen – und zu delegieren.
Beispiel:
Eine erfahrene Führungskraft blockte jeden Morgen 30 Minuten für einen „Check-in mit sich selbst“ – ohne Mails, ohne Meetings. In dieser Zeit reflektierte sie, was sie beeinflussen kann, was sie loslassen muss – und wie sie ihrer Rolle gerecht werden möchte.
Was Führung in Krisenzeiten von der „normalen“ Führung unterscheidet
Entscheidungsdynamik
In Krisenzeiten ändern sich Entscheidungsprozesse. Statt langer Abstimmungen sind schnelle Entscheidungen gefragt – oft mit begrenzten Informationen. Das bedeutet: Risikobereitschaft, klare Prinzipien und ein gutes Gespür für Prioritäten.
Emotionale Intensität
Krisen sind hoch emotional – für alle Beteiligten. Die emotionale Intelligenz von Führungskräften wird damit zur Schlüsselkompetenz. Wer Emotionen erkennt, benennt und regulieren kann, bleibt wirksam.
Kommunikation als Dauerauftrag
Kommunikation in der Krise ist keine „Zusatzaufgabe“, sondern permanenter Bestandteil von Führung. Die Frequenz, Offenheit und Empathie in der Kommunikation machen den Unterschied.
Die sieben Tipps für wirksames Führen in Krisenzeiten noch einmal im Überblick:
- Klar und transparent kommunizieren
- Empathie zeigen und Emotionen ernst nehmen
- Flexibilität beweisen und neue Wege gehen
- Verantwortung übernehmen – auch wenn nicht alles klar ist
- Vertrauen stärken und Zusammenarbeit fördern
- Sinn und Orientierung vermitteln
- Sich selbst führen – Resilienz stärken
Wer diese Prinzipien beherzigt, schafft nicht nur Stabilität im Sturm, sondern eröffnet seinem Team die Möglichkeit, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Denn: Krisen sind keine Pausen vom Alltag – sie sind Katalysatoren für Entwicklung, Menschlichkeit und neue Formen der Zusammenarbeit.
Fazit: Führen in Krisenzeiten braucht Klarheit, Mut und Menschlichkeit
Die Zeiten, in denen Führung vor allem mit Kontrolle, Anweisungen und Zielerreichung verbunden war, sind vorbei – spätestens in der Krise zeigt sich, dass gute Führung vor allem eine menschliche Aufgabe ist. Krisen sind keine Ausnahme mehr – sie werden zur neuen Realität. Deshalb braucht Führung heute mehr als klassische Management-Tools. Es braucht Menschen mit Haltung, Herz und Handlungsfähigkeit.
Führen in der Krise bedeutet:
- Klarheit in der Kommunikation,
- Mut zu unvollkommenen Entscheidungen,
- Vertrauen in die Menschen – und in sich selbst.
Die gute Nachricht: In der Krise zeigt sich nicht nur, wer Sie sind – sondern auch, wer Sie sein können. Nutzen Sie diesen Raum zur Entwicklung – für Sie, Ihr Team und Ihr Unternehmen.
Nutzen Sie gerne die Möglichkeit eines unverbindlichen Erstgesprächs mit mir, wenn ein Coaching für Sie als Führungskraft in Krisenzeiten hilfreich sein könnte. Buchen Sie gern Ihren Termin hier oder schreiben eine E-mail an hallo@yourwaycoachingconsulting.de.
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