Psychologische Sicherheit – Was kann ich als Führungskraft dafür tun?

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Psychologische Sicherheit - Was kann ich als Führungskraft dafür tun?

Warum sind manche Teams schlichtweg erfolgreicher als andere? Warum bringen sie mehr Innovation hervor und zeigen mehr Offenheit im gegenseitigen Miteinander?

In der Forschung wurde unter anderem ein zentrales Element von High Performing Teams herausgestellt: die psychologische Sicherheit.

Was ist psychologische Sicherheit ? Eine Definition

Der Ansatz der psychologischen Sicherheit basiert auf der Forschung der Harvard Professorin Amy Edmondson, die schon in den 90er Jahren hierzu Beiträge veröffentlichte.

Das Konzept der psychologischen Sicherheit beschreibt im Wesentlichen eine Arbeitsatmosphäre im Team, in dem alle Teammitglieder offen Fehler zugeben, Kritik äußern und Fragen stellen, ohne dafür negative Konsequenzen von Vorgesetzten oder Peers zu fürchten.

Wesentliche Elemente sind insbesondere das Vorhandensein einer:

  • Vertrauenskultur
  • Fehlerkultur
  • Feedbackkultur

Dies bedeutet, alle Teammitglieder teilen offen ihre Gedanken und Informationen miteinander. Sie vertrauen einander und geben sich ehrliches Feedback. Fehler werden als Chance gesehen, etwas Neues auszuprobieren und daraus zu lernen, um sich zu verbessern. Teammitglieder können einander um Unterstützung bitten. Diese Verhaltensweisen haben keine negative Konsequenzen, sondern Teammitglieder bestärken sich gegenseitig in diesem Verhalten. Dabei fürchten sie keinerlei (indirekte) Sanktionen, Strafen oder subtile Ausgrenzung. Sie gehen davon aus, dass niemand im Team in einer Art und Weise handelt, die die eigene Arbeit sabotiert oder untergräbt.

Dabei besteht psychologische Sicherheit nicht einfach „nur“ aus dem Vertrauen, sondern beschreibt die Sicherheit in der Gruppe und die darin geltenden Normen.

Warum ist psychologische Sicherheit im Team wichtig?

Vorhandene psychologische Sicherheit wirkt sich auf alle Beteiligten positiv aus: auf die Mitarbeitenden, die Teams und das Unternehmen als Ganzes.

Besonders positive Auswirkungen können u.a. sein:

Erhöhung der Innovationsfähigkeit

Teammitglieder, die in einem psychologisch sicheren Umfeld arbeiten, sind innovativer. Sie trauen sich eher Neues auszuprobieren, sind eher bereit auch einmal Risiken einzugehen und alte Gepflogenheiten in Frage zu stellen. Scheitern sie mit einer Idee, werden sie von anderen häufiger ermutigt, nicht aufzugeben und weiterzumachen. Dadurch entwickelt sich das Team kollektiv in eine kreativere Richtung.

Höhere Lerneffekte in Teams

Da die Teammitglieder keine Angst davor haben, Fehler zu machen und diese auch offen zu thematisieren, probieren sie nicht nur mehr neue Ansätze aus, sondern sprechen auch häufiger über diese Erfahrungen. Es entsteht eine Atmosphäre des lebenslangen Lernens. Durch den Austausch untereinander und das Feedback der anderen, bekommen sie Ideen und Erkenntnisse, die sie für das nächste Mal nutzen können. Teammitglieder in psychologisch sicheren Teams helfen einander und teilen ihr Wissen mit den anderen. So können alle von den Erfahrungen der anderen profitieren.

Positives Arbeitsethos

Teammitglieder können sie selbst sein ohne Gedanken und Ideen unterdrücken zu müssen. Durch die Wertschätzung der unterschiedlichen Ansätze und Perspektiven entsteht ein konstruktives Miteinander. Da weniger Energie für das Verbergen oder die Rechtfertigung von Fehlern vor anderen aufgewendet wird, können die Teammitglieder ihren Fokus ganz auf die Lösung der anstehenden Herausforderung legen. Gesamthaft erhöht sich die Zufriedenheit und das unterschwellige Stresslevel sinkt.

Höhere Effektivität

Sukzessive erhöht sich bei höheren Lerngraden, vermehrtem Feedback, dem Ausprobieren und Lernen aus Fehlern und der Offenheit für Neues auch die Produktivität des Teams. Da Probleme schneller und klarer angesprochen werden, können sie auch schneller gelöst werden. Das Unternehmen Google fand in seinem „Project Aristoteles“ heraus, dass gerade die psychologische Sicherheit im Team die Gruppeneffektivität signifikant erhöht und ein erfolgskritisches Element ist.

Bessere Kommunikation

Eine psychologisch sichere Umgebung verbessert die Kommunikation und die Zusammenarbeit. Potenzielle Konflikte können entschärft werden, da Teammitglieder bereit sind über Schwierigkeiten und Probleme offen zu sprechen, um Missverständnisse auszuräumen.

Woran erkennt man psychologische Sicherheit? Wie entsteht psychologische Sicherheit im Team?

Das Vorhandensein psychologischer Sicherheit steht und fällt mit dem Umgang im Team. Das Konzept bezieht sich auf die ganze Gruppe, es reicht nicht aus, wenn einzelne Teammitglieder bilateral vertraut und offen zusammenarbeiten, der Rest des Teams jedoch nicht. Zu erkennen ist psychologische Sicherheit zum Beispiel an einem intensiven Austausch miteinander oder dem Angebot sich gegenseitig zu unterstützen. Es ist gut möglich, dass in manchen Teams eines Unternehmens psychologische Sicherheit vorhanden ist und in anderen Teams nicht. Die jeweilige Führungskraft kann einen starken Einfluss auf die psychologische Sicherheit im eigenen Team nehmen. Auch die HR-Abteilung kann einen hohen Beitrag leisten, indem Führungskräfte in bestimmten Verhaltensweisen geschult werden und Führungskompetenzen entsprechende Elemente beinhalten.

Was kann ich als Führungskraft tun, um psychologische Sicherheit zu fördern?

Als Führungskraft können Sie einen großen Einfluss auf den Grad der psychologischen Sicherheit in Ihrem Team nehmen. Die folgende Liste greift ein paar Anregungen auf:

  • Etablieren Sie in Ihren regelmäßigen Teammeetings einen festen Agendapunkt, der dazu dient, Ideen und Probleme offen anzusprechen. Dadurch gewöhnen sich alle Teammitglieder daran, offen über Herausforderungen zu sprechen und sich gegenseitig Hilfestellungen zu geben.
  • Holen auch Sie als Führungskraft aktiv Feedback aus Ihrem Team ein. Wenn Sie ein Thema besprechen, stellen Sie sicher, dass Sie alle Teammitglieder nach ihren Ideen und Ansichten gefragt haben – auch diejenigen, die tendenziell eher zurückhaltend sind ihre Meinung zu äußern. Geben Sie auch selbst regelmäßig ehrliches, konstruktives Feedback.
  • Zeigen Sie Wertschätzung für den Ausdruck von Kritik, Ideen und Bedenken aus Ihrem Team. Bedanken Sie sich für die Beiträge, die aus Ihrem Team kamen, auch wenn diese im ersten Moment vielleicht nicht Ihrer Erwartung entsprachen. Sehen Sie insbesondere kritische Äußerungen auch als Chance, sich als Team gemeinsam weiterzuentwickeln. Kommunizieren Sie auf Augenhöhe. Stellen Sie sich auch selbst die Frage, was Sie aus der Antwort eines Teammitglieds lernen können.
  • Stellen Sie Fragen und zeigen Sie Interesse an den Ansichten Ihrer Teammitglieder. Hören Sie aktiv zu, ohne sofort zu reagieren.
  • Achten Sie auf den Umgangston innerhalb des Teams und sorgen Sie für ein respektvolles Miteinander. Bemerken Sie Verhaltensweisen einzelner Teammitglieder, die eine offene Vertrauenskultur behindern, suchen Sie das Gespräch und greifen Sie entsprechend ein.
  • Legen Sie gemeinsame Normen für die Zusammenarbeit in Ihrem Team fest. Besprechen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitenden was besonders wichtig für jede:n ist.
  • Geben Sie Verantwortung in Ihr Team und nehmen sich selbst stellenweise auch zurück. Dies ermutigt Teammitglieder, sich selbst stärker einzubringen und eigene Ideen zu generieren.
  • Signalisieren Sie, dass Sie sich für Ihre Teammitglieder Zeit nehmen und sie sich jederzeit an Sie wenden können, wenn sie Themen zu besprechen haben.
  • Führen Sie zum Abschluss einer Projektphase oder eines Monats/Quartals ein Reflektionsmeeting ein. Das primäre Ziel dieses Meetings ist es, im Team darüber zu sprechen, was in diesem Monat/Quartal oder Projektabschnitt gut im Team lief und wo es Verbesserungsvorschläge gibt.
  • Agieren Sie als Vorbild! Seien Sie sich Ihrer Außenwirkung bewusst und seien Sie ein gutes Rollenvorbild für andere. „Walk the talk“ heißt es auf Englisch – leben Sie kongruent zu dem, was Sie sagen. Bringen Sie Ihre Worte und Ihre Handlungen in Einklang. Leben Sie das Verhalten vor, das psychologische Sicherheit fördert. Geben Sie zu, wenn Sie einen Fehler gemacht haben oder etwas einmal nicht wissen. Teilen Sie Ihre Learnings aus früheren Fehlern mit ihrem Team, so dass andere aus Ihrer Erfahrung lernen können. Kommunizieren Sie transparent, wertschätzend, offen und auf Augenhöhe mit anderen.

Wie kann ich psychologische Sicherheit in Online Meetings besonders fördern?

Gerade in Online Meetings wird manchmal direkt mit der Besprechung der Punkte einer festgelegten Agenda begonnen und weniger Zeit mit Small Talk verbracht. 

Doch auch in digitalen Settings lässt sich psychologische Sicherheit fördern, indem ein Meeting oder ein Teil des Meetings explizit für den Aufbau dieser Sicherheit verwendet wird. Beispielsweise kann ein konstruktiver Austausch darüber, was jedes Teammitglied in dieser Woche Neues gelernt hat oder was die Person überrascht hat, dazu beitragen, sich mehr mit Innovation, Kreativität und Lernchancen aus begangenen „Fehlern“ auseinanderzusetzen. 

Wie bei anderen Terminen auch, sollten Gebote der Höflichkeit natürlich auch in Online Meetings eingehalten werden (z.B. aussprechen lassen ohne zu unterbrechen, alle Fragen auf Augenhöhe beantworten, jedes Teammitglied zu Wort kommen lassen, Missverständnisse klären). Wenn alle Beteiligten sich daran halten, kann dies die psychologische Sicherheit fördern.

Wie kann ich psychologische Sicherheit im Team messen?

Um den Grad der wahrgenommenen psychologischen Sicherheit zu messen, bietet es sich an, Elemente der Mitarbeiterumfragen für diesen Aspekt zu nutzen. Durch regelmäßig durchgeführte Umfragen lässt sich die Veränderung der wahrgenommenen psychologischen Sicherheit messbar machen. Basierend auf der Forschung von Amy Edmondson wurde ein Psychological Safety Index entwickelt, um die psychologische Sicherheit zu messen.

Fazit

Psychologische Sicherheit spielt eine große Rolle in der Zusammenarbeit und der Effektivität von High Performing Teams. Führungskräfte können durch das eigene Verhalten sowie die Etablierung einer Fehler-, Vertrauens- und Feedbackkultur, einem offenen, respektvollen und wertschätzenden Umgang miteinander und gegenseitigem, regelmäßigen Feedback maßgeblich zur Erhöhung der psychologischen Sicherheit im Team beitragen.

Links zu weiterführenden Studien/Artikeln/Videos zum Thema psychologische Sicherheit:

Edmondson, A. 1999. “Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams.” Administrative Science Quarterly 44 (2): 350. https://doi.org/10.2307/2666999

Edmondson, A. (2023). Right kind of wrong: The Science of Failing Well. Simon and Schuster.

Edmondson, A. (2018). The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth. John Wiley & Sons.

Google “Project Aristoteles”:  https://rework.withgoogle.com/jp/

McKinsey & Company. Psychological safety and the critical role of leadership development. (2021, February 11). https://www.mckinsey.com/capabilities/people-and-organizational-performance/our-insights/psychological-safety-and-the-critical-role-of-leadership-development

Catalyst. (2021, October 29). The Secret to inclusion in Australian workplaces: Psychological Safety (Report) | Catalysthttps://www.catalyst.org/research/the-secret-to-inclusion-in-australian-workplaces-psychological-safety/

Gallo, A. (2023, February 15). What is psychological safety? Harvard Business Review. https://hbr.org/2023/02/what-is-psychological-safety?utm_medium=paidsearch&utm_source=google&utm_campaign=intlcontent_leadership&utm_term=Non-Brand&tpcc=intlcontent_leadership&gad_source=1&gclid=Cj0KCQjw97SzBhDaARIsAFHXUWBuFPSxlYUm66sVyVMQUoyGOfe1zggxGdq1f_lDg735z7YCb1xqHjMaAg5cEALw_wcB

Frazier, M. L., Fainshmidt, S., Klinger, R. L., Pezeshkan, A., & Vracheva, V. (2017). Psychological safety: A meta‐analytic review and extension. Personnel Psychology, 70(1), 113–165.

TEDx Talks. (2014, May 5). Building a psychologically safe workplace | Amy Edmondson | TEDxHGSE [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=LhoLuui9gX8

Kratz, J. (2024, June 3). How psychologically safe is your workplace? Forbeshttps://www.forbes.com/sites/juliekratz/2024/03/08/how-psychologically-safe-is-your-workplace/#:~:text=Psychological%20safety%2C%20simply%20put%2C%20means,openly%20without%20fear%20of%20retribution.

Yousif, N., Dartnell, A., May, G., & Knarr, E. (2024, March 20). Psychological safety levels the playing field for employees. BCG Global. https://www.bcg.com/publications/2024/psychological-safety-levels-playing-field-for-employees

Carucci, R. (2024, January 18). How leaders fake psychological safety. Harvard Business Review. https://hbr.org/2023/12/how-leaders-fake-psychological-safety